Kasachstan hat in Anerkennung seiner geografischen Lage von Anfang an eine aktive, nach allen Seiten offene Außenpolitik betrieben, Atomwaffenfreiheit gehörte zu ihren wichtigsten Voraussetzungen. Unter dem Schlagwort Multivektorenpolitik hat die Führung zunächst enge politische wie wirtschaftliche Kontakte zu seinen großen Nachbarn Russland und die Volksrepublik China, aber auch zu den USA, den Staaten der Europäischen Union sowie in die arabische Welt, die Türkei, Südkorea, Iran u.a. aufgebaut. Mit dem außenpolitischen Konzept von 2014 wurde zusätzlich die Bedeutung der unmittelbaren Nachbarn sowie der asiatischen Staaten (Japan, Südkorea, Indien, Pakistan) betont. Inzwischen unterhält Kasachstan auch diplomatische Beziehungen zu vielen Staaten in Afrika und Süd-Amerika. Derzeit vertreten sowohl Nursultan Nasarbajew in seiner Eigenschaft als Erster Präsident, als auch sein im Juni 2019 gewählter Nachfolger Kasym-Dschomart Tokajew Kasachstan auf internationalem Parkett.
Russland
Russland spielt in der kasachstanischen Außenpolitik eine ganz besondere Rolle; zwar hat es im bilateralen Verhältnis immer wieder kleinere Probleme gegeben, die kasachstanische Elite ist aber grundsätzlich Russland freundlich. Die Vorgänge in der Ukraine seit dem Frühjahr 2014 stellen aber ganz neue Herausforderungen. Kasachstan sieht sich nicht mehr nur mit Überlegungen einzelner russischer Nationalisten über eine ethnische oder historische Zugehörigkeit seines Nordens zur Russischen Föderation konfrontiert, sondern das Beispiel der Annexion der Krim und Äußerungen des russischen Präsidenten werden in Kasachstan ebenfalls als Gefahr für seine territoriale Integrität und Staatlichkeit wahrgenommen – und als Problem für die bewährte Multi-Vektoren-Politik. Die noch aus der Sowjetzeit stammenden und seither an die RF verpachteten militärischen Testgelände in der kasachischen Steppe werden nach und nach geschlossen. Manche Beobachter sehen das Kaspische Meer als Zone einer neuen militärischen Konkurrenz beider Staaten, bzw. befürchten eine Militarisierung des Gewässers, andere befürchten im Gegenteil mangelnden Schutz vor Terroranschlägen auf die Erdölförderanlagen. Das Ergebnis der Verhandlungen über den Status des Gewässers wurde im Vorfeld ebenfalls widersprüchlich eingeschätzt, das Ergebnis wird als enttäuschend bewertet.
Auch grundsätzlich wird der russische Einfluss in Kasachstan recht unterschiedlich bewertet: tendenziell hoch, vor allem, aber nicht nur, auf die Russen des Landes oder aber (bedauerlicherweise) schwindend. Kasachstans Mitgliedschaft in der vom russischen Präsidenten Putin initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion als Nachfolger der Zollunion wurde vorab in der kasachstanischen Öffentlichkeit kritisch bewertet, (die breite Bevölkerung soll aber trotz vieler Probleme hinter diesem Schritt stehen). Beobachter sehen eine wachsende Unabhängigkeit der kasachstanischen Außenpolitik gegenüber russischen Positionen und darüber hinaus. Russland setzt neuerdings auf eine Intensivierung der Kontakte nach Zentralasien im 5+1 Format.
China
Die Beziehungen zur VR China haben sich nach anfänglichem Zögern immer mehr intensiviert, vor allem im wirtschaftlichen Bereich (aktuell vor allem die Belt and Road-Initiative). Sicherheitspolitisch bestehen einerseits viele gemeinsame Interessen, andererseits stellten die Ujghuren, eine turksprachige muslimische Ethnie, die im chinesischen Xinjiang, aber auch in Kasachstan lebt, aus der Perspektive Beijings eine potentielle Belastung für das zwischenstaatliche Verhältnis dar. In den letzten Jahren wurde die zunehmende Unterdrückung der Ujghuren in China, verbunden auch mit einer Verfolgung der ebenfalls in Xinjiang lebenden Kasachen, zu einem nicht nur das zwischenstaatliche Verhältnis belastenden Thema, sondern sorgt auch in Kasachstan für zusätzliche Spannungen. Die Konkurrenz um das langfristig knapper werdende Wasser wird von Experten ebenfalls als möglicher Konfliktfaktor bewertet. Weite Kreise der Bevölkerung Kasachstans sind zudem dem übermächtigen Nachbarn gegenüber kritisch eingestellt. In dieser Athmosphäre sorgt schon ein Blog-Beitrag eines chinesischen Nationalisten für diplomatische Verstimmungen. Der neue Präsident Kasachstans hat dagegen in Ausbildung und beruflichem Werdegang eine Spezialisierung auf China und sucht offensichtlich gute Kontakte zum riesigen Nachbarn.
Nachbarschaft
Gemeinsame Sicherheitsbedrohungen z.B. durch islamistische Kräfte oder den Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan hatten in den letzten Regierungsjahren des usbekischen Präsidenten Islam Karimow (bis 2016) bereits zu einer Annäherung zwischen Kasachstan und Usbekistan geführt. Unter seinem Nachfolger Schawkat Mirsijojew zeigt sich eine Entwicklung hin zu immer mehr Normalität, selbst die seit Jahrzehnten die Beziehungen belastenden ungeklärten Grenzfragen werden nun gelöst. Auch wenn es in der Region noch manches Konfliktpotential und viele Skeptiker bzgl. einer regionalen Zusammenarbeit gibt, war der Gipfel von Astana Mitte März 2018 ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Ob dieses erste Treffen allein zentralasiatischer Präsidenten seit 13 Jahren eine selbstbewusstere und eigenständigere Position der Region gegenüber Russland, China und den USA bedeutet, bleibt abzuwarten. Gemeinsame Befürchtungen bezüglich des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan könnten auch heute wieder die Zusammenarbeit fördern.
EU und Deutschland
Sowohl das Verhältnis zu Russland als auch der Truppenabzug aus Afghanistan beeinflussen die Politik Kasachstans gegenüber Europäischen Union und Nato. Die Gespräche über ein neues Partnerschaftsabkommen mit der EU haben sich zwar länger als erwartet hingezogen, es konnte aber am 21. Dezember 2015 in Astana unterzeichnet werden. Aktuell setzt Astana große Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Kooperation mit der EU. Von EU-Seite wurde der Zusammenarbeit im Mai 2019 mit der neuen Zentralasien-Strategie ein frischer Impuls gegeben. Seit 2006 finden gemeinsame Manöver mit der Nato im Rahmen des Partnership for Peace (PfP) Programmes statt.
Den Beziehungen zu Deutschland wird große Bedeutung beigemessen. Bundespräsident Steinmeier reiste 2017 nach Astana. Berlin war im Dezember 2019 die erste Hauptstadt eines westlichen Staates, die Präsident Tokajew als Staatsoberhaupt besuchte. Die Deutschen in Kasachstan sind zwar nach wie vor ein Anknüpfungspunkt, doch sind sie inzwischen eine nur noch kleine Gruppe, die nach ihrer Identität sucht.
USA
Die Entwicklung der US–amerikanischen Zentralasienpolitik unter Präsident Donald Trump folgte lange Zeit keiner klaren Linie und wurde durch nicht unbegründete Vermutungen über illegale Verbindungen des Wirtschaftsimperiums Trumps mit dem früheren Bürgermeister von Almaty in der Vergangenheit belastet. Die Verkündung einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie im Dezember 2017 erinnerte manche Beobachter bezüglich Zentralasiens an den Wettbewerb der Großmächte während der Zeit des «Kalten Krieges». Mitte Januar 2018 wurde Präsident Nasarbajew in Washington von Donald Trump zu Gesprächen über das bilaterale Verhältnis, aber auch Kasachstans Mittlerrolle bei diversen internationalen Konflikten, empfangen. Die Verlängerung der westlichen Sanktionen gegen Russland wirkt sich auch auf Kasachstan negativ aus. Im Feburar 2020 wurde eine neue US- Zentralasienstrategie verkündet, die allerdings wenig Neues enthält.
Internationales Engagement
Kasachstan ist sehr um Präsenz auf internationalem Parkett und positive Wahrnehmung in der globalen Öffentlichkeit bemüht. Es engagiert sich u.a. als Mediator, zum Beispiel im Istanbul-Prozess (Frieden und Sicherheit in Afghanistan) und bei den Verhandlungen mit Iran bezüglich seines Atomprogrammes. Astana hat sich um die Wiederannäherung zwischen Russland und der Türkei 2016 bemüht und versucht auch sich aktiv an der Beilegung des Ukraine-Konfliktes zu beteiligen. 2019 fanden wie in den Vorjahren in Nur-Sultan auch Syrien–Friedensgespräche auf verschiedenen Ebenen statt. Kasachstan ist auch an Peacekeeping Missionen der UN beteiligt.
Kasachstan ist auch aktives Mitglied in einer Vielzahl internationaler Organisationen wie der UN und ihren Unterorganisationen, (seit 1.1.2017 mit einem nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat), der ECO, der OSCE (Vorsitz 2010) und der OIC (Vorsitz 2011). Nach langjährigen Verhandlungen wurde Kasachstan am 30. November 2015 Mitglied der WTO. Im eurasischen Raum gehört es folgenden Bündnissen an: GUS, Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Collective Security Treaty Organization (CSTO), Eurasian Economic Union.
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Eurasia Daily Monitor Novastan
Dr. Beate Eschment, die Urheberin der Texte, beschäftigt sich seit Anfang der 90er Jahre mit Zentralasien. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS). Die GIZ wurde informiert, dass wir auf touristischen Webseiten die Inhalte vom ehemaligen Länderportal übernehmen. Wir freuen uns über Anregungen und Bildmaterial.